Aufgaben für Vinzentius-Schützen

08.09.2022

„Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“. Schriftführer Thorsten Donner im Gespräch mit dem Soester Anzeiger.

Offiziell können Frauen bei den Vinzentius-Schützen derzeit noch nicht Mitglied werden. Mit Betonung auf „noch“. Denn auch der Vorstand dort hat seit langem die Entwicklung im Blick, sieht, dass man sich beim Spagat zwischen Tradition und Zukunft rühren muss. An diesem Spagat gilt es zu arbeiten, an einem Programm, das mit der weiblichen Mitgliedschaft anfängt und mit der Festfolge längst nicht erschöpft ist.

Tradition und Moderne, die jüngeren und die älteren Mitglieder, die Vergangenheit und die Zukunft – das alles für ein lebendiges Vereinsleben unter einen Hut zu bekommen, ist gerade im Schützenwesen eine Herausforderung. Natürlich gibt es die gestandenen Mitglieder, Säulen der Gemeinschaft, die sich etwa mit dem Gedanken, den Montag als Festtag z.B. mit der abendlichen Quadrille zu streichen, nicht anfreunden können.

Doch gilt es für den geschäftsführenden Vorstand, das Gesamtbild im Auge zu behalten. So wird es – auch das eine Zeitgeistfrage – immer schwieriger, Musik, Thekenbesetzung und weitere Dienstleister zu akquirieren. „Die müssen für Montag Urlaub nehmen. Die Bereitschaft dazu sinkt“, beobachtet Vorstandsmitglied Torsten Donner mit dem Führungsteam. Im Blick dabei natürlich auch die Entwicklung der Resonanz etwa am Abend: Wo früher bei der Quadrille noch die Halle bebte, wurde es über die Jahre eher ruhiger.

Entgegenkommen

So dürfte die Festfolge ein Thema sein, dem sich die Vinzentius-Bruderschaft demnächst zu stellen hat. Nicht heute, nicht morgen – aber im Verlauf der nächsten ein, zwei Jahre wohl schon, skizziert Donner die Perspektive.

Das gelte selbstredend auch für die Frage der Mitgliedschaft von Frauen. Als die Jungschützen jetzt mit dem Vorstoß kamen, eine Gruppe junger Frauen aufzunehmen, zeigte der Vorstand sofort Entgegenkommen, nahm damit eine demnächst anstehende Satzungsänderung vorweg. „Wir haben einen breiten Wettbewerb unter den Vereinen um immer weniger junge Leute“, sagt Donner. Die Jugend gelte es zu begeistern. „Und das passiert teilweise auch mit Tradition. Tradition ist ja nicht negativ, sondern macht Spaß, wenn man es vernünftig ‘rüberbringt“. Dabei gelte eines: Stößt man junge Interessierte vor den Kopf, sind sie weg und für den Verein verloren.

Donner zieht eine Parallele in der Zeit: Vor 30 Jahren ließ der Vorstand den Nachwuchs gewähren. Die Jungschützen bildeten sich, die heute im Verein Verantwortung tragen. Ohne dieses damals ermöglichte und gepflegte Potenzial sähe es heute düster um den Verein aus. Vor diesem Hintergrund ist denn auch heute besagter Vorstoß der Jungschützen und ihrer Öffnung für die Mädchen im Dorf zu bewerten.

Die Liste der Zeitgeist Themen ist lang. Schon geraume Zeit lässt die Bruderschaft potenziellen Königsanwärtern weitgehend freie Hand, wie sie ihre Regentschaft gestalten wollen. Ob mit oder ohne Königin, mit oder ohne Hofstaat oder große Kleiderausstattung – wichtig sei, dass man überhaupt einen König oder eine Königin habe, um mit diesem traditionellen Motiv das Fest zu feiern. Ohne eine solche Figur droht ein Schützenfest zu verflachen und auszuhöhlen.

Weg mit allen gehen

Und was ist mit der aktuell in Wickede diskutierten Frage, den Hofstaat auch für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen? Auch das gelte es offen zu handhaben, „der Zeitgeist gibt uns das vor“, sagt Torsten Donner. Die Frage zähle auf jeden Fall zum Arbeitspaket, dass der Verein vor der Brust habe, zu den Themen, über die schließlich der gesamte Verein zu entscheiden habe.

Ziel müsse es sein, alle Generationen mitzunehmen auf dem weiteren Weg. Es wird nicht ohne die gestandenen Männer gehen, die sich um die Vinzentius-Bruderschaft verdient gemacht haben, nicht ohne das Mittelalter – aber eben auch nicht ohne die Jugend.

Wirtschaftlichkeit

In die Überlegungen zur Zukunft eines Vereins wie der Schützenbruderschaft spielt nicht zuletzt eine wirtschaftliche Komponente hinein. Denn ein Verein muss sich auch tragen können, kann nicht strukturell zum Zuschussgeschäft werden. Das aber droht, wenn man das Potenzial der jungen Generation nicht würdigt, wenn man sich nicht dem Zeitgeist öffnet. Selbst im Schützenwesen gilt die altbekannte Weisheit: „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“.


Quelle: Soester Anzeiger - Werl / Wickede - Ausgabe vom 08.09.2022 - von Martin Hüttenbrink